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Von der Suche nach einem Gott


Dies ist mein erster Tagebucheintrag, den ich je getätigt habe. Ich war noch nie ein großer Schreiber. Zahlreiche Federn brachen unter meiner Hand, ganze Bäche voller Tinte verschüttete ich in der Zeit meiner Lehre. Aber heute muss ich in Text verfassen, was mich beschäftigt, denn es ist wichtig.

Mein Name ist Vali Amnes ishad Benmanai, ich bin Magus Adepticus der Magiergilde des Sehenden Scheins zu Zorgan in Aranien und habe vor wenigen Monaten meine Ausbildung abgeschlossen. Nun - das Herz schwillt mir vor Neugierde - wandere ich durch die weite Welt Aventuriens, denn ich habe mir Ziele gesetzt. Ich möchte nicht nur die Welt allein sehen, die sicherlich Myriaden von Wundern beherbergt, sondern ich bin auch auf der Suche nach verschiedensten Dingen.
Und ich habe Anlass heute einige Zeilen niederzuschreiben, da ich denke eines der Dinge gefunden zu haben - einen Gott. Nein, verzeiht, eine Göttin.
Aber lasst mich etwas weiter vorn beginnen.

Ich reise mit ein paar liebenswürdigen Reisegefährten, seitdem ich das Schiff in Beilunk verlassen habe. In der Stadt, ich irrte durch die Gassen und bestaunte die Schönheiten zahlloser Häuser, traf ich unvermittelt - heute kann ich sagen glücklich - Noi. Ich glaube er ist ein herrenloser Streuner, vielleicht ein Söldner, obgleich seine magere, sehr gewandte Gestalt eher ersteres zulassen als letzteres unterstreichen würde. Manchmal gar denke ich, er ist ein Frauenheld, so wie er die Damen anlächelt und ihre Blicke fängt. Ich will es eigentlich gar nicht wissen. Er ist ein guter Mensch. Zwar erzählt er nicht sehr viel und schweigt bei mancher Frage, die man ihn über sein Leben stellt, aber ich vertraue ihm, und dies hat mir bis heute nicht geschadet, glaube ich. Das Einzige, was ich von ihm weiß, ist der Ort seiner Herkunft: Festum. Noch nie bin ich dort gewesen.
Kurze Zeit später trafen wir - denn Noi wollte für mich in der Stadt ein Fernrohr suchen, eines jener optischen Wunderwerke, die es vermögen die Ferne direkt vor das eigene Auge zu geleiten und somit die Fähigkeit der Weitsichtigkeit verleihen -, wie auch immer, wir trafen Fidaju. Sie ist eine seltsame Frau. Ein wenig fürchtete ich mich damals vor ihr. Ihre Augen erscheinen wie die Augen eines sich auf der Jagd befindlichen Wolfes und tatsächlich führte sie so ein Tier mit sich, einen Wolf. Aber sie schloss sich uns an und heute weiß ich, dass sie im Herzen gut ist. Sie ist Nivesin, sagt sie. Sie konnte mir viele Dinge über die Natur erklären und half uns auf unserer Reise zu überleben. Wer hätte gedacht, dass ein Hase immer noch schmeckt, wenn man zuvor mit ansehen muss, wie ihm das Fell über beide Ohren gezogen und das Innerste entnommen wird?
Und dann war da noch Xandro. Ich glaube im Herz war er ein Kämpfer. Er entsprach eher dem Söldnertum als Noi. Hatte er doch ein langes Schwert. Ihn mochte ich alsbald ebenfalls sehr. Obgleich er bisweilen mürrisch war, konnte er doch sehr spaßig sein. Und die Abende in der Taverne...
Aber Xandro verließ uns bald wieder und verfolgte seine eigenen Ziele. Manchmal denke ich noch an ihn.
Etwas später dann traf mich das Schicksal. Wir waren auf dem Weg nach Westen, hatten bereits ein sehr interessantes Abenteuer um ein paar Tränen einer Statue bestritten, als Sajaril, Löwin Sajaril von Keschal Rondra sich uns anschloss. Sie war Kriegerin im Namen der Göttin Rondra und der Kampf in all seinen Facetten war ihre heilige Profession.
Sie eilte uns zu Hilfe, als wir von einer Bande Räuber umzingelt waren und angegriffen wurden. Der Kampf hätte ohne jene Frau düster ausgesehen und wir hätten möglicherweise all unsere Habe, wenn nicht gar unser Leben verloren. Doch die Herrin Sajaril half uns aus der Not. Sie spießte sogleich einen der Banditen mit ihrem Säbel auf, das Wort Rondras auf ihren Lippen und sie führte uns schließlich zum Sieg. Schon damals dachte ich, dass uns etwas verband. Nicht weil sie eine Frau von Stand war, deren Ehrung meine Pflicht ist und deren Worte wahr sprechen, nein, weil...

Zu meinem und unserem Glück schloss sich die Kriegerin uns an. Sie war anders als Noi und Fidaju. Während die anderen beiden ruhig mit mir dahinreisten, sprach sie viel über sich und die Welt, über ihre Aufgaben und natürlich über Rondra, die Göttin des Kampfes. Damals schenkte ich diesen Worten wenig Bedeutung, denn was konnte ein Magier schon mit der Mutter des Kampfes anfangen? Ich tat zwar interessiert, weil ich oft das Gespräch mit der Herrin suchen wollte, erfreute mich aber lieber der Gesellschaft als der Inhalte ihrer Erzählungen.
Doch dies wurde anders.
Und bald, da wir zu viert viele Gefahren bestanden hatten und ich von Sajaril lernte, dass man sich mit Rondras Namen auf den Lippen Mut im Kampfe heraufbeschwören kann - und ich habe alle Gründe mir bei meiner Zerbrechlichkeit im Kampf alle Vorteile zu erbeten -, spielte ich mit dem Gedanken, einen Gott gefunden zu haben. Doch ich fürchtete mich ob dieser Entscheidung, denn sie erschien mir so endgültig. Und immerfort musste ich mir sagen lassen, dass es falsch wäre, als Zauberkünstler, als Illusionist, einer Kriegsgöttin vorrangig zu huldigen und sich ihr zu ergeben. Ich solle doch lieber Hesinde dienen oder einem anderen, eher spirituellen Gott. Ich war verunsichert.

Doch heute, da wir in den Bergen des Koschgebierges ein Lager von Orks fanden und diese Tiere uns angriffen und ich mich ihrem Anführer, einem Oger gegenübersah, verflogen meine Zweifel. Ich kämpfte verbissen. Jeden Augenblick aber dachte ich an den Tod und doch, mit der Bitte an Rondra, mir Kraft zu verleihen und sich meiner schmächtigen Gestalt anzunehmen, blieb ich standhaft. Und Rondra war bei mir, in zweierlei Sinn. Zum einen stand abermals meine Herrin neben mir und half mir in der Gefahr. Zum anderen führte ich die Drachenzunge, einen meisterhaft gearbeiteten Dolch aus Angbar, als sei ich selbst ein Krieger, wie Sajaril es war. Ich schrie den Namen der Göttin des Kampfes voller Inbrunst, mehrfach. Anders als bei den Kämpfen zuvor, da ich es tat, weil es mir half im Kampf nicht denken zu müssen, schrie ich ihn in diesem Kampf heraus und glaubte daran, dass es mir half. Und das tat es.
Ich, nein, wir besiegten den Oger und seine Schergen. Obgleich mich seine Keule mit aller Wucht traf und mir schwarz vor Augen wurde, half mir Rondra alles zu überstehen. Wir überlebten, ruhmreich möchte ich fast sagen.
Ich sank auf die Knie nach dem Kampf. Dieses Mal leckte ich nicht meine Wunden. Nein. In einem stillen Gebet dankte ich der Göttin für alles, was mir einfiel. Mit jedem stillen Wort zum Himmel spürte ich den Schmerz des Schlages, der mich traf, doch ich sah es erstmals nicht als Anlass für Tränen der Marter sondern für ein Opfer, welches ich bringen musste, um siegreich zu sein. So lehrte mich die Herrin Sajaril damit umzugehen.

Dies alles sollten nicht die Worte eines Magiers sein, denn dieser ist stark im Geiste und gebraucht keine körperliche Gewalt, um zu bestehen. Er sollte weise genug sein, diesem schmerzlichen Weg, dem Kampf Aug in Aug, aus dem Weg zu gehen. So lehrt es die Gilde.
Doch ich habe es anders erlebt. Jenseits der sicheren Mauern meiner Schule muss man sich seines Lebens erwähren. Man muss um sich schlagen, so gut man kann. Viele wollen einem ans Leder, des Reichtums wegen oder einfach, weil sie boshaft sind. Räuber, Drachen, Gargyle, selbst eifersüchtige Frauen.
Die Lehren der Gilde genügen nicht, derartigen Gefahren gänzlich aus dem Weg zu gehen. Es bedarf mehr, vielmehr. Nicht überall genügt ein Visibili Vanitar. Manch einmal muss auch Vali Amnes ishad Benmanai sich Dingen stellen. Und ab heute tut er dies mit Hilfe Rondras.
Ich werde lernen und den Worten der Herrin Sajaril höchste Achtung und Bedeutung schenken.
Ich bleibe, wer ich bin, nur ersuche ich nun ein Schild mir zu bauen, an welchem die Boshaften der Welt abprallen. Und es wird fest werden dieses Schild und breit.

Ich bin freudig ob meines Erlebnisses und doch spüre ich, wie am Boden meines Bewusstseins immer noch heimlich der Zweifel nagt. Ist die Wahl die richtige? Bin ich der Göttin des Kampfes würdig oder muss ich fürchten, dass sie mich, Vali, tagtäglich übersieht und sich eher den großen Schwert schwingenden Helden Aventuriens annimmt? Ich muss mich an Sajaril wenden, um diese Zweifel zu beseitigen. Sie wird mir helfen können, den Hader zu unterbinden.


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