Kildare - Der Feind kommt nicht nur von Osten - 13.11.2003

Es war schon seltsam, dass Algonthir in einer der Nächte, die auf der Reise nach Kildare an den Gefährten vorüberzogen, einen Traum hatte. Er erlebte ihn auf seiner Abenteuerreise schon einmal. Kurz bevor sich Taithleach für eine Weile unbemerkt der Gruppe anschloss, hatte er eine ähnliche Vision.

Algonthir stand in einem Höhlengang und weit den unterirdischen Pfad hinauf schien der fahle Mond schwach in den Höhleneingang hinein. Tiefer den Gang hinunter gabelte sich der Weg und Algonthir wusste, dass links ein brennender See kommen würde, der nur Unheil brachte - dort endete seine erste Eingebung. Der Elf entschied sich diesmal den Rechten Pfad zu gehen und kam in eine Grotte an deren Ende Taithleach selbst auf einem Thron saß und herzlich lachend den Dolch des Dunkels auf ihren Oberschenkel schlug.
Dann wachte der Pferdeflüsterer auf.

Es wirkte ebenso befremdlich, dass Muadib am Morgen nach jener Nacht eine rote Phönixfeder an seinem Sattel fand, die er schon einmal als Warnung erhalten hatte.
Doch beide Mahnungen blieben unbedacht. Algonthir und Muadib zogen zusammen mit Zafania, Wuselwort und Murbi weiter, um den Krieg in Kildare zu erreichen und die Schlacht um die Stadt zu schlagen - auch, als sie bemerkten, dass ein Greif zwei Mal über ihren Köpfen kreiste und nach wenigen Augenblicken wieder verschwand.

Zwei Tage vor ihrer Ankunft begegneten die Fünf an der Arga-Tarkil-Furt einem Stamm Orks mit zwei Ogern und einem Troll, die die Brücke bewachten und den Flüchtlingen aus Kildare ihr Leben nahmen, wenn sie nicht ausreichend bezahlten. Das Vorhaben wurde unter einem lauten Kampf am tobenden Wasser des Arga niedergeschlagen und vereitelt. Nur der Troll entkam den Abenteurern und wird sich irgendwo in einer feuchten Höhle der Schmach bewusst geworden sein, die seine Bande an der Brücke erlitt.

Irgendwann - die Reisenden durchquerten viele Dörfer bis nach Kildare und trafen viele hundert Flüchtlinge - tauchten die Mauern der Wachschaftsstadt Kildare auf. Doppelreihig standen sie da und wurden im Osten von Soldaten und Ballisten gefüllt. Die Augen der Kämpfer blickten in Richtung Argmund. Auf den östlichen Hügeln vor der Stadt hatten sich schon zahlreiche Wilde und Riesen niedergelassen und warteten abermals - wie in Argmund - dass der Ruf zum Angriff erschalle.
Am Tor angekommen, wurden Algonthir und Muadib überrascht. Die Wache nahmen die beiden Männer fest. Ihre drei Freunde, die verschont blieben, wussten kurze Zeit später, was dem Waldläufer und dem Paladin vorgeworfen wurde: Verrat, Rückhalt von Informationen und Mord. Überrumpelt von dem unerwarteten Ereignis nahm die Stadt die Gefährten auf.
Ohne Gegenwehr wurden die Gefangenen unter den wachsamen Augen der zahlenmäßig überlegenen Miliz in den Kerker des Stadtschlosses geführt. Dort mussten sie alles ablegen, was sie bei sich trugen, einige Lumpen anziehen und unter starker Bewachung abwarten. Ein Gespräch mit dem Currag der Stadt sollte folgen und für Klarheit sorgen.
Während Wuselwort derweil herauszufinden versuchte, wie die allgemeine Lage der Stadt war und wie sich das Befinden der Bevölkerung beschreiben ließ, ersuchten Murbi und Zefania beim Currag Jorlach von Nord um Gehör. Sie wurden vorgelassen und angehört. Der Currag selbst sprach mit ihnen und untermauerte seine Anschuldigung des Mordes gegenüber Algonthir mit einem blutigen Dolch, der dem Lichtdolch Algonthirs glich. "Dies ist die Mordwaffe", verkündete der Currag von Kildare und unterbrach sich, als eine Frau in rotschwarzer Robe mit silbernen Stickereien auftauchte. Wuselwort sah diese Frau mit einem Greif auf der inneren Mauer der Stadt landen. Hatte sie die Fünf auf der Reise beobachtet?
Die Dame fragte nach der Situation und der Currag, der sie Taia nannte, erklärte ihr, dass die Neuigkeiten im Kerker warteten. Taia verschwand wieder.

Die Frau war wenige Augenblicke später im Kellerkerker, in dem Muadib und Algonthir festsaßen. Die beiden Freunde hörten Schritte und einige arkane Formeln, die von einem Aufschrei und einem erstickenden Gurgeln des Gefängniswärters beantwortet wurden. Es stellte sich heraus, dass Taia, jene Frau, die mit dem Greif gelandet war und die Gruppe schon Tage zuvor beobachtet hatte, Taithleach war, der gefürchtete Feind.
Auch Zefania und Murbi hatten durch den Scharfsinn der Kundschafterin Zefania erfahren, wer die Person war. Sie eilten mit Vorsicht zu Hilfe.
Taithleach tötete mit einem Zauber alle Wachen im Kerker und machte sich sogleich über die Ausrüstung Muadibs und Algonthirs her. Es war klar was sie suchte: die Weltendolche.
Als sie einige Zeit gesucht hatte, Zefania sich derweil in den Kerker schlich und Murbi oben an der Kerkertreppe zwei Wachen alarmierte, fand sie, wonach sie trachtete. Das Versteck des Dunkeldolches an der Innenseite des Brustpanzers des Paladins, wurde von der Magierin entdeckt. Selbstsicher und voller Stolz trat sie vor die Zelle der beiden Gefangenen, die die Einzigen zu sein schienen, die im Keller noch lebten und verlangte nach mehr. Sie hatte den Dolch des Lichtes nicht gefunden und forderte, ihn herauszugeben. Doch bevor sie viele Fragen stellen konnte, drohte Muadib Algonthir, der als Einziger das Befehlswort für beide seiner Waffenring kannte, in einem derer der Dolch verborgen war, umzubringen. Algonthir spielte mit. Ein Aufschrei der Frau verdeutlichte Muadib Taithleachs Verlangen und ihre Angst zu scheitern. Zefania stahl heimlich und geschickt einen der beiden Waffenringe ohne gesehen zu werden und Murbi entsendete die Wachen des Schlosses in den Keller.
Taithleach wurde hektisch. Muadib gab vor, auf den Bezauberungsspruch der Magierin eingegangen zu sein und gewann dadurch Zeit. Zefania, im festen Glauben den richtigen der beiden Waffenringe gestohlen zu haben, verschwand wieder aus dem Kerker und versteckte ihn mit Wuselwort in der Stadtmauer. Nun wusste auch der Gnom, wer die Frau auf dem Greif war.
Die Wachen - von Murbi geschickt - erkannten die Gefahr im Keller und wollten den Stab alarmieren. Nur einer der beiden Männer entkam den tödlichen Zaubern der rimischen Hexe, doch dieser genügte, um Taithleach zum Aufbruch zu zwingen.
Nachdem sie erfolglos versuchte, den Dolch des Lichtes zu erlangen, entfernte sie sich mit dem Dolch des Dunkels und verließ den Kerker. Während Taia über den Markt schritt und ihren Greifen ansteuerte, befreite Zefania Algonthir und Muadib. Der Paladin vom Versprechen, den Dolch des Dunkels zu behüten, angestachelt, stürmte der Frau nach. Zefania und Murbi folgten ihm.
Auf dem Markt entfesselte Wuselwort einen Feuerball, der auf Taithleach niederging und sie schwächte, aber sie nicht in die Knie zwang. Wuselworts Gefährten stürzten einen Augenblick später aus dem Stadtschloss um ebenfalls den Kampf mit ihr aufzunehmen. Erst hier mussten die Abenteurer erfahren, dass ihre Hoffnung vergebens war, denn als Muadib die Worte, die Taia im Kerker sprach, als sie die Wachen tötete, ein zweites Mal dort auf dem Markt vernahm, starb die Zuversicht auf einen Sieg endgültig. Die arkane Macht der rimischen Zauberin strömte auf die Gefährten ein und nagte an ihnen, raubte ihnen die Kräfte und sog die Seele langsam aus. Die Lebenskraft, gehalten vom schlagenden Herz und geschürt vom Durst nach dem Leben selbst, schwand und bald, nachdem die Wachen am Eingang des Stadtschlosses schon zu Boden gefallen waren, stürzten auch Zefania, Murbi und Wuselwort leblos auf den winterlichen Markt. Muadib, vom Zauber verschont, schlug eine Faust der Verzweiflung ins Gesicht und noch bevor Taithleach auf der anderen Seite des Marktes zwischen den Häusern verschwand, gab er die Verfolgung vor Wehleid und Verzagen auf. Sie hatte sie mit einem Wink getötet - alle, bis auf ihn.
Doch das Schicksal schien den Reisenden hold zu sein, denn nachdem der Feind verschwunden war, rief das Herz der Niedergeschlagenen zum Widerstand auf. Dem Pech der toten Wachen stand das Glück Murbis, Zefanias und Wuselworts gegenüber und stieß sie von der Schwelle des Todes fort, um ihnen zu zeigen, dass ihre Zeit noch nicht gekommen war. Göttliche Kraft, Lebensmut oder etwas ganz Unbekanntes holte die Drei zurück ins Leben und in die Wirklichkeit. Von der Ohnmacht gepeinigt und dem tödlichen Zauber zerrüttet, fanden sich der Barbar, die Kundschafterin und der Chaosmagier schweratmend auf dem Markt wieder. Muadib stand schweigend in der Mitte des großen Platzes.
Taithleach verließ Kildare mit ihrem Greif und ließ als Beweis ihrer Macht und als Mittel der Ablenkung mehr als ein Dutzend Untote zurück, die wenige Augenblick zuvor zur Miliz der Stadt gehört haben mussten. Die Skelette wurden zerschlagen und nur noch ein Haufen Knochen deutete vom kurzen Kampf.

Algonthir blieb im Kerker zurück. Die Vorsicht bewog ihn dazu, denn in seinem Waffenring, welchen Zefania übersehen hatte, trug er den begehrten Lichtdolch, den er keinesfalls hergeben wollte.
Der Elf machte im Kerker zwischen den toten Soldaten und dem leblosen Gefängniswärter außerdem eine interessante Entdeckung. Der Dolch des Dunkels lag auf dem kalten Stein des Fußbodens nahe der Treppe. Hatte die Hexe ihn verloren, kurz nachdem sie ihn gewann? Stimmte es vielleicht, dass die Dolche einem freiwillig übergeben werden mussten? Wollte jemand nicht, dass Taithleach den Dolch an sich nahm oder war alles ganze anders, als der Elf vermutete? Algonthir steckte die Waffe ein und trat in der aufkeimenden Abenddämmerung auf den Markt hinaus. Er musste erfahren, dass Taia Kiach entkommen war und ihre offenbarte Macht einer der tausend Höllen glich, vor denen sich die Sterblichen Noridans so fürchten.




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