Die schwimmende Insel - 25.09.2003

Algonthir, Murbi, Muadib, Wuselwort und Zefania, die ihr Überleben in der letzten Nacht mit Blut und Schweiß erkauft hatten, kehrten erschöpft nach Irar zurück. Caleb der Wolf, Diener Taithleachs, war besiegt und der Hexenzirkel, der die zweihundertfünfzig Soldaten des hiesigen Currags auf dem Gewissen hatte, war zerschlagen. Nusujar Raag, der Currag selbst, hatte den Gefährten eine Belohnung versprochen, wenn sie den Tod seiner Männer aufklären und rächen würden.
Nachdem die Leichen der Männer aus dem Behirforst geborgen waren, rief der Stadthalter eine öffentliche Versammlung auf dem Stadtmarkt aus, zu der jeder Bürger erscheinen sollte.
Die fünf Helden wurden für ihre Taten ausgezeichnet und erhielten das Goldene Blatt Irars, eine Schärpe des hohen Standes, die ihnen Zugang zu so manch gehobenen Etablissements verschaffte und die Tore zum gehobenen Viertel öffnete.
Neben einer Ankündigung zur Steuererhöhung zerfiel der Friede des Tages jedoch schon nach wenigen Augenblicken. Zefania spürte, seit sie in Irar angekommen war, einen Krampf im Genick, der sie beunruhigte und dessen Herkunft unbekannt war. Dort oben, auf der Bühne der Stadt, als der Currag jedem seiner Freunde die Hand gab und sich persönlich für ihre Taten bedankte, gesellten sich unsagbare Kopfschmerzen hinzu. Der Schmerz wurde unerträglich und ein gliederbetäubendes Jucken trat ein. Irgendwann verlor die Kundschafterin die Beherrschung und stürzte auf die Knie. Sie schrie und quälte sich vor tobenden Schmerzen. Die anderen vier Ausgezeichneten schützten die Frau vor neugierigen Blicken der Bevölkerung, aber es war unumgänglich, dass jenes Ereignis Aufruhr hervorrief. "Teufelswerk", begannen schon die Ersten nach wenigen Augeblicken zu reden und als manche einen Blick auf die Schreiende erhaschten und sahen, dass sich Schläfe und Stirn veränderten und sich knorpelartige Kanten im Gesicht bildeten, dass die Haut einen bronzenen Schein annahm und die verkrampften Finger gelbliche Nägel sprießen ließen, sahen sie die zaghaften Vermutungen bestätigt. Die städtische Führung konnte dieses Schauspiel nicht länger dulden und brachten Zefania fort. Gefolgt von ihren neuen Begleitern, die nur der Anfang eines Trosses von Bauern, Mägden und Tagelöhnern waren, kamen alle zum Tempel Hulths, in den Zefania geschleift wurde, um ihr Abbild vor den neugierigen Augen zu verbergen. "Hexe, Teufel, Dämon", wurde die hilflose Frau beschimpft aber die Rufe verklangen, als man sie hinter den Eichentoren des Tempels in den Keller trug und in eine Zelle sperrte. Auf dem Weg hatte sie noch ein in seidene Roben gehüllter Mann angesprochen. Er, mit einer gläsernen Spinne auf der Stirn, sagte seltsame Worte, die sich später als Gaunersprache herausstellten und deren Bedeutung vom Wissen über Zefanias Verwandlung kündete.
Algonthir, Muadib, Wuselwort und Murbi ließen vom Versuch, die neue Gefährtin aus den Händen der Stadt zu reißen, ab. Sahen sie ihre Position in Irar gefährdet?
Eine weitere Person hatte voller Neugier das Schauspiel beobachtet. Gothol, der Dunkelelf, der einst Muadib und Vychar in Irar kennen lernte, als alle anderen noch in der Risssteinwüste umhergeisterten, war zurückgekehrt und fand sein Ziel durch den Aufstand sehr schnell.
Irgendwann traf sich Gothol mit Muadib, der nicht ahnte, dass der Dunkelelf zurück war und offenbarte ihm seine Geschichte. Er war auf der Rückfahrt aus Mither mit dem Schiff auf Grund gelaufen und die Kogge war vier Tage weit entfernt gestrandet. Der Kapitän beteuerte, dass er die Insel, auf der nun alle Schiffsreisenden festsaßen, nicht kannte und dass sie auf seinen Karten nicht verzeichnet war. Der Segler selbst wurde vom harten Stein aufgerissen und war nicht mehr seetauglich. Die Reisenden waren auf dem unbekannten Eiland gefangen.
Gothol wollte eine Rettungsaktion ankurbeln und fand in Muadib die Person, die ihm dabei half. Der Dunkelelf machte außerdem eine weitere interessante Entdeckung auf der Insel. Eine Schatzkiste, an deren Schloss ein Piratenhaken aus Lunarstein hing, erregte seine Aufmerksamkeit. Später schloss der Dunkelelf auf ein Zeugnis Hokars, der damals als einer der Gründer Irars hervorging und der seine Freunde verraten hatte, weil er nach dem Stern des Yido trachtete, mit dem es möglich war, Frostriesen zu kontrollieren - eine erfolgversprechende Waffe für den Riesenkrieg, wenn man wusste, wie sie anzuwenden war.
Zefania musste sich in der Nacht nach ihrem Anfall vor dem Currag rechtfertigen. Das Verhör brachte wenig hervor und ihre Identität als auch ihre Geschichte behielt sie für sich. Sie wurde trotzdem freigelassen, musste Irar jedoch meiden und durfte nicht wieder in die Stadt zurückkehren. Der Currag machte ihr verständlich, dass das Volk nach all den Hexengeschichten, gegen solche Vorfälle allergisch war und er weitere Schritte einleiten müsse, um Ruhe zu schaffen.

Die Rettungsaktion um Gothol begann trotzdem. Der Currag mobilisierte ein Marineschiff, das die Abenteurer zu der Insel im Westen brachte und sie für einen Tag dort absetzte. Sie fanden die Überlebenden aus Mither, die seit Gothols Abreise stark dezimiert wurden. Es hieß, in den Nächten würde immer wieder jemand entführt werden und selbst der Kapitän der Kogge aus Mither war im Dunkel verschwunden und kehrte bis die Tage nicht zurück.
Um nicht vier Tage nur für eine Rettungsaktion gereist zu sein und die Geheimnisse um Hokar den Haken und die Vergangenheit Irars ein wenig zu lüften, beschlossen die Helden die Insel zu untersuchen.
Irgendwann stellte sich heraus, dass die Insel unnatürlich war. Der vermoderte Wald, der schwarze Sand die seltsamen Ebbe- und Fluterscheinungen, alles deutete auf Unnatürlichkeit hin. Es stellte sich schließlich heraus, dass das Stück Land im Meer schwamm und das Schiff Gothols nur deshalb gestrandet war, weil die Insel aus dem Meer aufgetaucht war. Daher war sie auch auf der Karte des Kapitäns nicht verzeichnet und deshalb machte auch der vertrocknete Kraken in einer modrigen Baumkrone Sinn. Eine weitere Erforschung war unumgänglich - dies jedoch erbrachte eine angsteinflößende Erkenntnis:
Psidara, die Insel, auf der damals der Schöpfer des Dunkeldolches, Ildar Ninhala all seine Anhänger zusammentrieb, um sie gegen den Alten Rat auszuschicken, wurde im Meer verbannt und sollte nicht wieder auferstehen. War jene Insel dieses verdammte Land, auf der die Abenteurer nach Hokars Vermächtnis suchten?
Die Vermutung bestätigte sich, als die Gruppe einen Kelch fand, der das offene Auge des Lichtdolches trug. Außerdem fanden Algonthir und Gothol am Fundort der Schatztruhe noch einen Piratenhaken, in dem eine Nachricht geschrieben war, die von Hokar selbst zu sein schien:

"Wo Brüder es nicht vermuten, liegt er gut bewahrt, versteckt. Und mein Seetod, der bevorsteht, versenkt das Wissen um den Schatz in der Krone des Schatzes"

War Hokar der Haken, der den Yidostern einst vom Zwergenreich Tsu-Akun erkaufte, gesunken und unter dem Meer genau über Psidara auf Grund gegangen? Hatte die Erstehung der Insel einen Teil des Geheimnisses in Form der Schatzkiste preisgegeben? War die Insel wiedererstanden?

Die Abenteurer fanden eine Höhle, in der sie mit Hilfe des Kelches und des Lichtdolches etwas entdecken, das selbst die Vorstellungskraft eines Feldherren oder eines weitgereisten Königs überstieg. In einem marmornen Raum bestand die Möglichkeit den Kelch und den Lichtdolch zu vereinigen und in einen Raum, einen Saal, nein, einen riesigen Kessel zu gelangen, in dem Tausende und Abertausende fürchterlicher Wesen vor sich hinschliefen und darauf warteten, dass ihre bösen Herzen wieder erwachen konnten. Drachen aller Farben, Dunkelelfen, Goblins, Orks, Untote jeder Sorte und vieles mehr ruhte in den Klüften und Spalten des Steins tief unten. Es schien, als würde ein ganzer Berg von innen ausgehöhlt sein und das Heim dieses Schreckens bilden. Waren das die zurückgedrängten Wesen Ninhalas, die der Alte Rat damals auf der Insel Psidara verbannte? Lag hier die Quelle des Bösen oder war das Gesehene nur ein Vorgeschmack dessen, welche Macht damals wütete, als Ildar Ninhala die Kraft des Dunkeldolches entfesselte?

Die Abenteurer waren nicht lang in diesem Kessel des Bösen, der Furcht aber auch Hass in den Heldenherzen schürte. Muadib trachtete nach dem Tod all dieser Wesen aber Algonthir, der zuvor darauf bestand, den Kelch und den Dolch zu vereinigen und dieses Erlebnis damit beschloss, verweigerte ihm diesen Wunsch der Gefahr wegen. Was würde geschehen, wenn all diese Monster erwachen?
Dann plötzlich tobte die Erde und die Insel sank, noch als die Gruppe den überwältigenden Feind betrachtete. Schnell machten sich alle sechs wieder zum Ausgang der Höhle und als sie am Höhlentor angekommen waren erstreckte sich vor ihnen die unendliche See. Als sie vor kurzer Zeit den Berg betraten, waren es zweitausend Fuß bis hinab zum Wasserspiegel, nun waren es nicht mehr als zehn Fuß und in wenigen Augenblicken würde das Wasser ihnen an die Sohlen reichen. Weit draußen schwamm das Schiff der Marine Irars und etwa eine Meile entfernt lag ein Beiboot mit zwei Matrosen im Wasser, die auf die Abenteurer warteten.
Die Angst vor der unerwarteten Flut war zu groß und die Strecke bis zum Beiboot zu weit. Es wurde beschlossen, in die Höhle zurückzukehren und die Insel nicht zu verlassen. Vielleicht würde der Dolch des Dunkels die Insel wieder erstehen lassen, wenn sie durch den Dolch des Lichtes versank? Muadib, der erst so vehement gegen den Einsatz des Dunkeldolches in Gegenwart des Bösen war, versuchte sein Glück und wurde bitter enttäuscht, als das Wasser die Höhle flutete und jede Ritze der Tiefseegruft ausfüllte - bis auf den Kelchraum, indem sich die Charaktere nun abermals befanden. Der Strom stoppte am Eingang zum marmornen Zimmer und verschonte die Leben der sechs vorerst. Sie waren eingeschlossen und sanken langsam in die tiefsten Tiefen des Meeres hinab und auch der Dunkeldolch konnte nichts daran ändern. Die Insel wurde zusammen mit Zefania, Muadib, Wuselwort, Murbi und Algonthir unter den tobenden Fluten des Außenmeeres begraben.




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